Handelsrecht

20.12.2020 | Recht + Steuern

Das Handelsrecht wird traditionell verstanden als das Sonderprivatrecht der Kaufleute. Handelsrechtliche Normen sind nämlich nur auf Kaufleute (vgl. §§ 1 ff. HGB) anwendbar. Kaufleuten wird unterstellt, dass sie geschäftserfahrener als Privatleute (insbesondere Verbraucher) sind und deshalb nicht in gleichem Maße eines Schutzes durch das Gesetz bedürfen wie diese.

Kaufmannseigenschaft

Es sind drei Gruppen von Kaufleuten zu unterscheiden:

  • Kaufleute kraft Handelsgewerbes,
  • Kaufleute kraft Rechtsform,
  • Kaufleute kraft Eintragung.

Kaufmann kraft Handelsgewerbes

Ist-Kaufmann

Gemäß § 1 Abs. 1 HGB ist jeder Kaufmann, der ein (beliebiges) Handelsgewerbe betreibt („Ist-Kaufmann“). „Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.“ (§ 1 Abs. 2 HGB). Die an den Kaufmannsbegriff anknüpfenden Regeln kommen auch dann zur Anwendung, wenn der Gewerbetreibende seiner Pflicht zur Eintragung im Handelsregister (§ 29 HGB) nicht nachkommt.

Gewerbebetrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 HGB ist die organisierte Einheit sachlicher und personeller Mittel, mit deren Hilfe der Inhaber des Betriebs eine

  • erkennbar planmäßige,
  • auf Dauer angelegte,
  • selbstständige und nicht freiberufliche, wissenschaftliche oder künstlerische,
  • anbietende Tätigkeit an einem Markt
  • mit Gewinnerzielungsabsicht ausübt.

Die Tätigkeit muss auf den Abschluss einer Vielzahl von Geschäften gerichtet sein. Daher sind z.B. kein Gewerbe:

  • Werksangehöriger eines Automobilherstellers verkauft jährlich seinen Jahreswagen weiter,
  • Verkauf von Gegenständen aus einer Haushaltsauflösung auf einem Flohmarkt,
  • Gelegentliche Börsenspekulationen.

Die Tätigkeit muss aber nicht ununterbrochen ausgeübt werden, auf unbestimmte Dauer angelegt sein oder die Haupteinnahmequelle darstellen, z.B. :

  • gastronomischer Saisonbetrieb,
  • von einem Architekten nebenberuflich betriebenes Antiquariat.

In Bezug auf die geforderte Selbständigkeit ist nicht die wirtschaftliche, sondern die rechtliche Selbstständigkeit gemeint.

Für die Selbstständigkeit sprechen insbesondere:

  • nur eingeschränkte Weisungsgebundenheit,
  • weitgehende Freiheit bei der Bestimmung der Arbeitszeiten,
  • Tragen eines unternehmerischen Risikos,
  • Vorhandensein von selbst ausgesuchtem eigenem Personal.

Gegen die Selbstständigkeit sprechen insbesondere:

  • genaue Vorgaben in Bezug auf Tätigkeitsort und Arbeitszeiten,
  • Eingliederung in die betriebliche Organisationsstruktur,
  • Vorgabe fester Urlaubszeiten,
  • Genehmigungspflicht für Nebentätigkeiten.

Eine Ausnahme gilt für freiberufliche, wissenschaftliche und künstlerische Tätigkeiten. Diese Tätigkeiten werden nicht als selbstständige Tätigkeiten im Sinne des Gewerbebegriffes angesehen (diese Ausnahme lässt sich nur historisch rechtfertigen). Freiberuflich tätig sind insbesondere:

  • Ärzte (nicht aber Apotheker),
  • Rechtsanwälte,
  • Steuerberater,
  • Wirtschaftsprüfer.

Eine anbietende Tätigkeit an einem Markt liegt vor, wenn jemand nach außen erkennbar am Abschluss von Rechtsgeschäften interessiert ist. Die bloße Verwaltung eigener Vermögenswerte reicht insoweit nicht aus. Der Marktauftritt muss auch anbietender Natur sein. Wer Leistungen nur nachfragt, ist Verbraucher und betreibt somit kein Gewerbe.

Eine Gewinnerzielungsabsicht ist Insbesondere nicht gegeben bei Hobbies (Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein).

Auf die Zulässigkeit der Tätigkeit kommt es dagegen nicht an (vgl. § 7 HGB).

Erforderlichkeit ist weiterhin ein in kaufmännischer Weise eingerichtetern Geschäftsbetriebs. Dieser ist durch seine Organisation, vor allem aber durch eine kaufmännische Buchführung charakterisiert. Insoweit ist im Rahmen einer Gesamtschau auf „Art“ und „Umfang“ des Unternehmens abzustellen (§ 1 Abs. 2 HGB):

  • Mit „Art“ des Unternehmens sind qualitative Kriterien gemeint, z.B.:
    • Natur und Vielfalt der erbrachten Leistungen,
    • Art des Kundenkreises;
  • Beim „Umfang“  geht es um quantitative Kriterien, z.B.:
    • Kapitalausstattung,
    • Umsatzvolumen,
    • Zahl der Beschäftigten.

Kann-Kaufmann

Kleingewerbetreibender

Wenn das Gewerbe nach Art und Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (Kleingewerbetreibender), ist der Geschäftsinhaber kein Kaufmann per Gesetz (vgl. § 1 Abs. 2 HGB). Er ist nur berechtigt, nicht aber verpflichtet, sich im Handelsregister eintragen zu lassen (§ 2 Satz 2 HGB).

Lässt er sich eintragen, dann wird er dadurch Kaufmann (§ 2 Satz 1 HGB). Er hat die Möglichkeit, sich später auch wieder aus dem Handelsregister löschen zu lassen (§ 2 Satz 3 HGB).

Land- und forstwirtschaftliche Betriebe

Land- und forstwirtschaftliche Unternehmen sind nicht schon per Gesetz Kaufmann (§ 3 Abs. 1 HGB). Es besteht allerdings die Möglichkeit der Eintragung, wenn das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 3 Abs. 2 HGB).

Erfolgt die Eintragung, kann sie – anders als bei den Kleingewerbetreibenden des § 2 HGB – nicht wieder rückgängig gemacht werden (§ 3 Abs. 2 HGB).

Vermögensverwaltende Personengesellschaften

Gesellschaften, die lediglich eigenes Vermögen verwalten, betreiben kein Gewerbe i.S.v. § 1 HGB. Diese Gesellschaften können sich freiwillig als offene Handelsgesellschaft (OHG) bzw. als Kommanditgesellschaft (KG) eintragen lassen (§ 105 Abs. 2 HGB).

Sie haben die Möglichkeit, sich später auch wieder aus dem Handelsregister löschen zu lassen (§ 2 Satz 3 i.V.m. § 105 Abs. 2 S. 2 HGB).

Kaufmann kraft Rechtsform

Die für Kaufleute geltenden Vorschriften finden auch auf die Handelsgesellschaften Anwendung (sog. “Formkaufmann” i.S.v. § 6 Absi 1 HGB).

Im HGB selbst sind nur Personenhandelsgesellschaften Offene Handelsgesellschaft (oHG) und Kommanditgesellschaft (KG) geregelt. Bei ihnen muss grundsätzlich geprüft werden, ob sie ein Handelsgewerbe i.S.v. § 1 HGB betreiben.

Für außerhalb des HGB geregelte Handelsgesellschaften ergibt sich die Eigenschaft als Formkaufmann aus den Vorschriften der jeweiligen Spezialgesetze:

  • Aktiengesellschaft (AG) aus § 3 Abs. 1 AktG,
  • Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) aus §§ 278 Abs. 3, 3 Abs. 1 AktG,
  • Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) aus § 13 Abs. 3 GmbHG,
  • Eingetragene Genossenschaft (eG) aus § 17 Abs. 2 GenG.

Voraussetzung ist jeweils die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister, durch die die Gesellschaft als juristische Person überhaupt erst entsteht (= konstitutive Handelsregistereintragung).

Kaufmann kraft Eintragung

Ist ein Rechtsträger im Handelsregister eingetragen (sog. “Fiktivkaufmann”), so untersteht er dem Handelsrecht und kann nicht geltend machen, dass das betriebene Geschäft kein Handelsgewerbe sei, also insbesondere nach Art und Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb i.S.v. § 1 Abs. 2 HGB erfordere (§ 5 HGB).

Der Rechtsverkehr kann sich demnach im Fall der Eintragung auf die Anwendbarkeit der Sonderregeln des Handelsrechts verlassen.

Scheinkaufmann

Diese Rechtsfigur ist gesetzlich nicht geregelt, sondern eine Ausprägung der allgemeinen Rechtsscheinhaftung.

Danach muss sich ein im Rechtsverkehr auftretendes Rechtssubjekt einen von ihm veranlassten Rechtsschein zurechnen lassen, auf den sich ein Geschäftsgegner verlassen hat. Maßgeblich ist insoweit der objektive Empfängerhorizont des Geschäftsgegners, der sich im konkreten Fall auf die Anwendbarkeit handelsrechtlicher Vorschriften beruft, z.B. Verwendung des Firmenzusatzes „eingetragener Kaufmann“, „e.K.“, „e.Kfm.“, „e.Kfr.“ oder „AG“ oder „GmbH“.

Buchführungspflicht

Ein Kaufmann unterliegt – sofern er die Schwellenwerte des § 241a HGB bzgl. Umsatzerlösen (bis 31.12.2015: 500.000 €; ab 1.1.2016: 600.000 €) und Jahresüberschuss (bis 31.12.2015: 50.000 €; ab 1.1.2016: 60.000 €) überschreitet – der Buchführungspflicht des § 238 Abs. 1 HGB. Er muss somit die doppelte Buchführung anwenden und einen mindestens aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung bestehenden Jahresabschluss nach § 242 Abs. 3 HGB aufstellen.

Inventur und Inventar

Darüber hinaus ist er verpflichtet, zu Beginn seines Handelsgewerbes seine Grundstücke, seine Forderungen und Schulden, den Betrag seines baren Geldes sowie seine sonstigen Vermögensgegenstände genau zu verzeichnen und dabei den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden anzugeben (§ 240 Abs. 1 HGB).

Die dazu notwendige Tätigkeit nennt man Inventur. Das anzulegende Verzeichnis nennt man Inventar.

Firma

Die Firma eines Kaufmanns ist der Name, unter dem dieser im Handel seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt (§ 17 Abs. 1 HGB).

Ein Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden (§ 17 Abs. 2 HGB).

Personal-, Sach- oder Phantasiefirmen sind grundsätzlich zulässig, sofern es sich um eine wörtliche und artikulierbare Bezeichnung handelt, die keine Bildzeichen enthält.

Es sind folgende Firmengrundsätze zu beachten:

  • Kennzeichnungsfähigkeit (§ 18 Abs. 1 HGB),
  • Unterscheidungskraft (§ 18 Abs. 1 HGB),
  • Firmenwahrheit = keine Irreführung (§ 18 Abs. 2 HGB),
  • Rechtsformzusatz bei allen Unternehmensträgern (§ 19 HGB),
  • Firmenausschließlichkeit = Firmenunterscheidbarkeit (§ 30 Abs. 1 HGB).

Geschäftsbriefe

Alle Geschäftsbriefe des Kaufmanns, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet sind, müssen folgende Angaben enthalten (§ 37a HGB):

  • seine Firma mit Rechtsformzusatz,
  • Ort seiner Handelsniederlassung,
  • das Registergericht und die Nummer, unter der die Firma in das Handelsregister eingetragen ist.

Gleiche Pflichten bestehen für

  • Handelsgesellschaften des HGB, also die oHG und KG,
  • AG (§ 80 AktG),
  • GmbH (§ 35a GmbHG),
  • e.G. (§ 25a GenG).

Handelsregister

Das Handelsregister gibt Auskunft über Tatsachen und Rechtsverhältnisse, die für Dritte im Rechtsverkehr mit einem Kaufmann von Bedeutung sind. Es wird bei den Amtsgerichten (Registergerichten) geführt.

Eintragungen

Ins Handelsregister können nur die diejenigen Tatsachen eingetragen werden, bei denen das Gesetz an irgendeiner Stelle ausdrücklich bestimmt, dass sie eingetragen werden können, z.B:

  • Erteilung der Prokura (§ 53 Abs. 1 HGB),
  • Erlöschen der Prokura (§ 53 Abs. 2 HGB)

Der Kaufmann ist zudem verpflichtet, seine Firma ins Handelsregister eintragen zu lassen (§ 29 HGB).

Es sind deklaratorische und konstitutive Eintragungen zu unterscheiden:

  • Deklaratorische (= rechtsbestätigende) Eintragungen sind solche, bei denen die Rechtswirkung von der Eintragung nicht abhängig ist, sondern die nur noch für eine Klarstellung nach außen sorgt, z.B.
    • Erteilung der Prokura (§ 48 HGB),
    • Eintragung eines Kaufmanns i.S.v. § 1 HGB;
  • Bei konstitutiven (= rechtsbegründenden) Eintragungen beginnt die Rechtswirkung erst mit der Eintragung, z.B.
    • Eintragung von Kann-Kaufleuten (§§ 2, 3 HGB),
    • Eintragung einer GmbH oder AG.

Publizität des Handelsregisters

Neben der reinen Information (Publikationsfunktion) und der Möglichkeit der Beweisführung (Beweisfunktion) dient das Handelsregister auch dem Schutz des Rechtsverkehrs (Schutzfunktion). Durch die Publizität des Handelsregister wird das Vertrauen derjenigen Personen, die sich auf die Richtigkeit des Handelsregisters verlassen, geschützt (§ 15 HGB).

Wirkung richtiger Eintragungen und Bekanntmachungen

Nach § 15 Abs. 2 HGB muss ein Dritter die (richtig) eingetragenen und bekanntgemachten Tatsachen gegen sich gelten lassen (Regelfall).

Beispiel

Im Handelsregister ist das Erlöschen der Prokura eines vormaligen Prokuristen ordnungsgemäß eingetragen und bekanntgemacht worden. Einen Monat später  schließt der ehemalige Prokurist ein Geschäft im Namen des Kaufmanns mit einem Dritten ab.

Folge: Der Dritte kann sich nicht auf die vormalige Vertretungsmacht berufen.

Positive Publizität

§ 15 Abs. 3 HGB regelt die sog. „positive Publizität“. Danach gilt

Ist eine einzutragende Tatsache unrichtig bekanntgemacht, so kann sich ein Dritter demjenigen gegenüber, in dessen Angelegenheiten die Tatsache einzutragen war, auf die bekanntgemachte Tatsache berufen, es sei denn, dass er die Unrichtigkeit kannte.

Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Rechtsscheinnorm, da sich ein Dritter auf den Rechtsschein einer unrichtigen Bekanntmachung berufen kann. Voraussetzungen hierfür sind jedoch:

  • Es handelt sich um eine eintragungspflichtige Tatsache.
  • Diese wurde unrichtig bekannt gemacht.
  • Die Bekanntmachung ist dem Kaufmann zurechenbar.
  • Der Dritte war gutgläubig, d.h., er hat keine Kenntnis des Dritten von der Unrichtigkeit.

Negative Publizität

§ 15 Abs. 1 HGB regelt die sog. „negative Publizität“. Danach gilt:

Solange eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, kann sie von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, dass sie diesem bekannt war.

Diese Vorschrift schützt den Rechtsverkehr auch dann, wenn Tatsachen nicht eingetragen sind, die nach dem HGB eintragungspflichtig sind. Voraussetzungen hierfür sind jedoch

  • Es handelt sich um eine eintragungspflichtige Tatsache, deren hypothetische Eintragung in das Handelsregister deklaratorisch wirken würde,
  • Es fehlt die Eintragung oder/und fehlende Bekanntmachung im Handelsregister
  • Der Dritte war gutgläubig, d.h., er hat keine Kenntnis des Dritten von der Unrichtigkeit.

Handelsrechtliche Stellvertretung

Die handelsrechtliche Stellvertretung richtet sich grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften des BGB zur Stellvertretung, nämlich die §§ 164 ff. BGB. Danach setzt eine wirksame Stellvertretung voraus:

  • eine eigene Willenserklärung des Vertreters,
  • ein Handeln im Namen des Vertretenen (Offenkundigkeit) und
  • die Vertretungsmacht des Vertreters.

Insoweit sind die besonderen Regelungen zur handelsrechtlichen Stellvertretung zu berücksichtigen, die in den §§ 48 ff. HGB enthalten.

Gesetzliche Vertretungsmacht

Je nach Rechtsform ergeben sich unterschiedliche gesetzliche Vertretungsregelungen:

Einzelkaufmann

Die Geschäftsführung obliegt grundsätzlich dem Unternehmer, allerdings kann er sie an Angestellte bzw. Dritte weitergeben.

Offene Handelsgesellschaft

Nach der gesetzlichen Regelung des § 114 Abs. 1 HGB sind alle Gesellschafter zur Führung der Geschäfte berechtigt und verpflichtet.

Vertretung der OHG nach außen

Ebenso ist jeder Gesellschafter ermächtigt, die Gesellschaft nach außen alleine zu vertreten, d.h. z.B. Verträge zu schließen (Einzelvertretungsbefugnis, § 125 Abs. 1 Satz 1 HGB). Durch Gesellschaftsvertrag kann ein Gesellschafter von der Vertretung ausgeschlossen werden, dies wird dann im Handelsregister entsprechend eingetragen (§ 107 HGB).

Einzelgeschäftsführungsbefugnis

Jeder Gesellschafter darf alleine (vgl. § 115 Abs. 1 HGB) alle Handlungen vornehmen (z.B. Geld vom Firmenkonto überweisen, Bestellungen tätigen etc.), die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt (§ 116 Abs. 1 HGB). Handlungen, die darüber hinausgehen (“außergewöhnliche Geschäfte”), erfordern einen Beschluss aller Gesellschafter (§ 116 Abs. 2 HGB). Allerdings steht generell – d.h. bei gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäften – jedem Gesellschafter ein Widerspruchsrecht zu, bei dessen Ausübung das Geschäft unterbleiben muss (§ 115 Abs. 1 2. Halbsatz HGB).

Außergewöhnliche Geschäfte, die der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen, wären z.B. der Erwerb einer Immobilie oder der Abschluss einer stillen Beteiligung, also Geschäfte, die über das übliche “Tagesgeschäft” hinausgehen.

Änderung durch Gesellschaftsvertrag

Durch Gesellschaftsvertrag kann die Geschäftsführung einem oder mehreren Gesellschaftern übertragen werden (d.h. auf diese beschränkt werden). Die übrigen Gesellschafter sind dann von der Geschäftsführung ausgeschlossen (§ 114 Abs. 2 HGB).

Entzug der Geschäftsführungsbefugnis

Die Geschäftsführungsbefugnis kann einem Gesellschafter auf Antrag der übrigen Gesellschafter durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden, z.B. bei grober Pflichtverletzung (§ 117 HGB).

Die Gesellschafter haben auch in dem Fall ein Überwachungs- bzw. Kontrollrecht, das ihnen z.B. die Einsichtnahme in die Bücher und Jahresabschlüsse der OHG erlaubt (§ 118 HGB).

Kommanditgesellschaft

Die KG hat aber – im Gegensatz zur OHG – zwei unterschiedliche Arten von Gesellschaftern:

  • vollhaftender Komplementär und
  • beschränkt haftender Kommanditist.

Die Komplementäre führen die Geschäfte, während die Kommanditisten von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind (§ 164 HGB). Sind mehrere Komplementäre vorhanden, gelten für diese dieselben Regelungen wie bei einer offenen Handelsgesellschaft (siehe oben).

Demgegenüber sind die Kommanditisten von der Vertretungsmacht ausgeschlossen (§ 170 HGB).

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist deren Geschäftsführer (§ 35 GmbHG).

Aktiengesellschaft

Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist deren Vorstand (§ 78 Abs. 1 AktG).

Prokura

Die Prokura ist eine rein rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht. In der Praxis besteht regelmäßig ein wirksamer Arbeitsvertrag mit dem Prokuristen; dies ist aber nicht zwingend.

Die Erteilung der Prokura kann an mehrere Personen gemeinsam erfolgen – sog. Gesamtprokura (§ 48 Abs. 2 HGB). Dies bedeutet, dass die erteilte Prokura in funktioneller Hinsicht dahin beschränkt ist, dass dem Prokuristen der Abschluss von Geschäften nur im Zusammenwirken mit einer anderen Person möglich ist.

Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt (§ 49 Abs. 1 HGB). Damit sind z.B. vom Umfang der Prokura grundsätzlich umfasst:

  • Abschluss von Verträgen,
  • Klagen vor Gericht und gerichtliche Vergleiche,
  • Einstellung von Personal
  • Erteilung von Handlungsvollmachten

Ausgeschlossen sind jedoch:

  • organisationsrechtliche Geschäfte (z.B. Einstellung des Handelsgeschäfts),
  • die Veräußerung und Belastung von Grundstücken   (§ 49 Abs. 2 HGB).

Eine Beschränkung des Umfangs der Prokura ist Dritten gegenüber unwirksam (§ 50 Abs. 1 HGB). Dies gilt insbesondere von der Beschränkung, dass die Prokura nur für gewisse Geschäfte oder gewisse Arten von Geschäften oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten ausgeübt werden soll (§ 50 Abs. 2 HGB). Dagegen ist im Innenverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und dem Prokuristen eine  Beschränkung möglich.

Die Prokura erlischt

  • mit Beendigung des ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (§ 168 Satz 1 BGB) oder
  • durch Widerruf (§ 168 Satz 2 BGB).

Der Widerruf ist „jederzeit“ möglich (§ 52 Abs. 1 HGB); hieraus folgt zwingend, dass die Möglichkeit, die Prokura zu widerrufen, grundsätzlich nicht vertraglich abbedungen werden kann.

Das Erlöschen der Prokura ist in gleicher Weise wie die Erteilung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 53 Abs. 2 HGB). Ebenso wie bei der Erteilung wirkt die Eintragung nur deklaratorisch.

Handlungsvollmacht

§ 54 Abs. 1 HGB bestimmt:

„Ist jemand ohne Erteilung der Prokura zum Betrieb eines Handelsgewerbes oder zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte ermächtigt, so erstreckt sich die Vollmacht (Handlungsvollmacht) auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt.“

Insoweit gilt (anders als bei der Prokura):

  • Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus können auch Nichtkaufleute Handlungsvollmacht erteilen.
  • Handlungsbevollmächtigte können nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen sein.

Ladenangestellter

§ 56 HGB bestimmt:

„Wer in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt ist, gilt als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen.“

Die Vorschrift dient dem Verkehrsschutz (Sonderfall der Anscheinsvollmacht).

Voraussetzungen der Vertretungsmacht sind:

  • Der Vertretene muss einen Laden oder ein offenes Warenlager betreiben.
  • Der Vertreter muss in dem Laden oder offenen Warenlager „angestellt“ sein, d.h. er muss mit Wissen und Wollen des Unternehmensträgers in die Verkaufstätigkeit eingeschaltet sein.
  • Erforderlich und ausreichend ist ein gewisser räumlicher und zeitlicher Zusammenhang mit dem Geschäftslokal.

Handelsgeschäfte

Die §§ 343 ff. HGB enthalten allgemeine Vorschriften über Handelsgeschäfte, die auf bürgerlich-rechtliche Rechtsverhältnisse Anwendung finden, wenn daran Kaufleute beteiligt sind. Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören (§ 343 Abs. 1 HGB). Die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte gelten im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig (§ 344 Abs. 1 HGB).

Wichtig

Tätigt ein Kaufmann private Geschäfte (z.B. Kauf von Lebensmitteln für den häuslichen Gebrauch), gehört das entsprechende Geschäft nicht „zum Betrieb seines Handelsgewerbes“ und unterfällt dann auch nicht den Sonderregeln der §§ 343 ff. HGB.

Es gelten folgende Sonderregelungen:

  • Schweigen gilt beim Kaufmann in bestimmten Fällen als Annahme des Vertragsangebots (§ 362 HGB), bei Privatpersonen nicht. Nach der gewohnheitsrechtlich anerkannten Lehre vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben gilt, dass ein Kaufmann als Empfänger eines Schreibens, in dem ein Anderer seine Auffassung über das Zustandekommen und den Inhalt eines (angeblich) geschlossenen Vertrages kundtut, grundsätzlich diesem Schreiben unverzüglich widersprechen muss, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will.
  • Ein Kaufmann hat empfangene Waren bei mangelhafter oder Fehllieferung (aliud) unverzüglich zu rügen, um seine Gewährleistungsrechte nicht zu verlieren (§ 377 HGB).
  • Die Sorgfaltspflicht eines Kaufmanns (§ 347 HGB) ist höher als die einer Privatperson (§ 276 BGB).
  • Die Schutzvorschriften der §§ 305 Abs. 2 und 3, 308, 309 BGB finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden (§ 310 Abs. 1 BGB).
  • Der gesetzliche Zins für Kaufleute (§ 352 HGB) ist höher als der von einer Privatperson geschuldete gesetzliche Zins (§ 246 BGB).
  • Der Kaufmann schuldet Fälligkeitszinsen (§ 353 HGB), der Privatmann nicht.
  • Ein Kaufmann kann mündlich eine Bürgschaft übernehmen (§ 350 HGB), während die private Bürgschaft nur in schriftlicher Form gültig ist (§ 766 BGB).
  • Der private Bürge hat die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB), kann also die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange dieser nicht eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat. Diese Einrede steht dem bürgenden Kaufmann nicht zu (§ 349 HGB). Er kann deshalb parallel zum nicht zahlenden Hauptschuldner in Anspruch genommen werden (= selbstschuldnerische Bürgschaft).
  • Während bei Privatpersonen eine verwirkte Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB vom Richter herabgesetzt werden kann, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist, gilt dies für Kaufleute nicht (§ 348 HGB).
  • Wer von einem Kaufmann eine diesem nicht gehörende bewegliche Sache erwirbt, kann diese nicht nur dann gutgläubig erwerben, wenn er an das Eigentum des Veräußerers glaubt (§§ 932 ff. BGB), sondern schon dann, wenn sich sein guter Glaube auf die Verfügungsbefugnis des Kaufmanns bezieht (§ 366 HGB).