Störung der Geschäftsgrundlage

29.01.2021 | Recht + Steuern

Ein wesentliches Element im Vertragsrecht ist die Geschäftsgrundlage. Hiermit werden diejenigen Vorstellungen zweier Vertragspartner bezeichnet, welche zwar nicht Bestandteil des Vertrages sind, die aber als Grundlage für den Vertragsschluss anzusehen sind. So werden Verträge nicht um ihrer selbst willen geschlossen, sondern jede Partei verfolgt damit eine besondere Absicht.

Hinweis

In gut designten Verträgen wird einem Vertrag eine sog. “Präambel” voran gestellt, in der kurz die Absichten der jeweiligen Vertragsparteien dargestellt werden. Diese sind dann stets als Geschäftsgrundlage anzusehen.

In rechtlicher Hinsicht entstehen dann Probleme, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss so schwerwiegend verändert haben, dass die Erreichung des eigentlichen Vertragszwecks unmöglich geworden oder zumindest stark gefährdet ist. In diesem Fall spricht man von einer “Störung der Geschäftsgrundlage”.

Voraussetzungen

§ 313 BGB regelt abschließend die Rechtsfolgen, wenn eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt. Hierfür müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es muss bereits ein Vertrag zustande gekommen sein.
  • Ein Umstand, der zur Grundlage dieses Vertrags geworden ist, hat sich nachträglich schwerwiegend verändert. Einer Veränderung der Umstände steht es dabei gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen (§ 313 Abs. 2 BGB).
  • Beide Vertragspartner wussten bei Vertragsschluss nichts von den Umstand, der zur Störung der Geschäftsgrundlage geführt hat.
  • Der Umstand, der zur Störung der Geschäftsgrundlage führte, war nicht Gegenstand des Vertrages,
  • Beide Parteien hätten den Vertrag nicht abgeschlossen hätten, wenn ihnen der Umstand bekannt gewesen wäre.
  • Für mindestens eine Partei muss das Festhalten am Vertrag unzumutbar geworden sein.
  • Die beiderseitigen Verpflichtungen müssen durch die gravierende Störung der Geschäftsgrundlage in ein starkes Missverhältnis geraten sein.

Die Anwendung des § 313 BGB ist allerdings nur in Ausnahmefällen möglich und gilt nicht bei Umständen, die bei Vertragsabschluss bereits vorhersehbar waren. Gleiches gilt auch für

  • Risiken, die von den Vertragsparteien bis zu einem gewissen Grad bei einem Vertragsabschluss zu tragen sind (z.B. Preissteigerungen bzw. -verfall),
  • bei einseitigem Irrtum,
  • vorhersehbare Vertragsänderungen,
  • Verträge, die zunächst wirksam geschlossen, später aber durch Anfechtung fortgefallen sind.

Beispiel

Bei einem langfristig geschlossenen Gewerbemietvertrag kann nicht von einer Störung der Geschäftsgrundlage ausgegangen werden, wenn die erhoffte Umsatzerwartung des Mieters nicht erfüllt wird und nun eine Mietpreisreduzierung angestrebt wird.

Rechtsfolgen

Liegen die vorgenannten Voraussetzungen einer Störung der Geschäftsgrundlage vor, ist nach dem gesetzlichen Regelfall vorrangig eine Vertragsanpassung anzustreben (§ 313 Abs. 1 BGB). Der Vertrag ist also so umzugestalten, wie es beide Vertragsparteien an Anfang an gewollt hätten.

Danach besteht für die benachteiligte Vertragspartei ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages. Die andere Vertragspartei ist verpflichtet, bei der Vertragsanpassung mitzuwirken. Wird die vertragliche Mitwirkungspflicht verletzt, kann es zu Schadensersatzansprüchen gemäß § 280 Abs. 1 BGB kommen.

Wichtig

Die Vertragsanpassung tritt jedoch nicht automatisch in Kraft. Werden sich die Parteien untereinander nicht einig, muss die Geltendmachung des Anpassungsanspruchs in einem gerichtlichen Verfahren erfolgen, da eine Vertragsänderung grundsätzlich nicht gegen den Willen des anderen Vertragspartners durchgeführt werden kann.

Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten (§ 313 Abs. 3 S. 1 BGB). Bei Dauerschuldverhältnisse (wie z.B. eine Mietvertrag) tritt an die Stelle des Rücktrittsrechts das Recht zur Kündigung (§ 313 Abs. 3 S. 2 BGB).

In beiden Fällen entsteht ein sog. “Rückgewährschuldverhältnis”, wonach bereits ausgetauschte Vertragsleistungen zurückgegeben werden müssen.