Die Willenserklärung ist das zentrale Grundelement, aus dem ein Rechtsgeschäft geschaffen wird.
Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines Rechtsfolgewillens, also die Kundgabe (Erklärung) des Willens einer Person, die einen Rechtserfolg (also die rechtverbindliche Begründung von Rechten und Pflichten) beabsichtigt.
Form
Grundsätzlich kann eine Willenserklärung ohne Beachtung einer bestimmten Form abgegeben werden. Insbesondere kann dies
- mündlich,
- schriftlich (d.h. eigenhändig unterzeichnet),
- elektronisch (mit digitaler Signatur gemäß Signaturgesetz),
- in Textform (z.B. per Telefax oder E-Mail) oder
- konkludent (d.h. durch schlüssiges Verhalten wie z.B. Kopfnicken oder Handheben) erfolgen.
Wichtig
Schriftlichkeit im Sinne des Gesetzes liegt nur vor, wenn das Dokument mit der Original-Unterschrift des Unterzeichnenden versehen ist. Die Kopie, ein Telefax oder ein Scan eines solchen Dokuments genügt diesen Anforderungen nicht! Hierbei handelt es sich nur um eine Willenserklärung in Textform.
In der Praxis ist diese Unterscheidung insbesondere bei Kündigungen von Dauerschuldverhältnissen (also z.B. bei Miet-, Dienst- oder Rahmenverträgen) von großer Bedeutung, da diese in den meisten Fällen die Schriftlichkeit einer solchen Erklärung vorsehen. Die Kündigung eines solchen Vertrages durch E-Mail oder Telefax reicht nicht aus!
Allerdings können Ausnahmen von der Formfreiheit existieren. So sind für einige Verträge per Gesetz eine bestimmte Form vorgeschrieben (Schutzfunktion), z.B.:
- der Kauf eines Grundstücks (Schriftform und notarielle Beurkundung),
- Übertragung des Geschäftsanteils (notarielle Beurkundung),
- Befristete Arbeitsverträge (Schriftform),
- Bürgschaft (Schriftform).
Bei Nicht-Beachtung der gesetzlichen Form ist das Rechtsgeschäft stets nach § 125 Satz 1 BGB nichtig.
Des Weiteren können auch die Vertragsparteien eine bestimmte Form für die Abgabe von Erklärungen vereinbaren. In diesen Fällen ist das Rechtsgeschäft im Zweifel nach § 125 Satz 2 BGB nichtig.
Inhalt einer Willenserklärung
Der Inhalt einer Willenserklärung (WE) ergibt sich grundsätzlich aus der Äußerung selbst. Maßgeblich ist insoweit das Erklärte, so wie es der Empfänger der Erklärung berechtigterweise verstehen durfte (sog. „Lehre vom Empfängerhorizont“).
In der Praxis kann es durch die Abstellung auf den Empfängerhorizont zu Problemen führen, wenn der innerer (subjektiver) Tatbestand einer Willenserklärung (“was man eigentlich erklären wollte”) mit dem äußeren (objektiven) Tatbestand (“was man tatsächlich erklärt hat”). Bei solchen Mängeln im subjektiven Tatbestand gilt Folgendes:
- Fehlt dem Erklärenden der Handlungswillen (konnte er also sein Verhalten nicht bewusst steuern, z.B. bei Volltrunkenheit oder einem Reflex), ist die Willenserklärung nichtig (105 Abs. 2 BGB).
- Fehlt ihm das Erklärungsbewusstsein (war ihm also nicht klar, dass er mit seiner Äußerung eine Willenserklärung abgegeben hat, z.B. Zuwinken eines Freundes bei einer Auktion), ist die Willenserklärung wirksam abgegeben, aber der Vertrag ist nach § 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB analog anfechtbar.
- Fehlen ihm der Geschäftswillen (er will eine Erklärung abgeben, aber nicht mit diesem Inhalt, z.B. bei Versprechen, Verschreiben oder Vertippen), ist die Willenserklärung ebenfalls wirksam abgegeben, aber der Vertrag ist nach §§ 119 ff. analog anfechtbar.
Wichtig
Augen auf im Rechtsverkehr! Regelmäßig kommt es nicht darauf an, was man sagen wollte, sondern was man gesagt hat!
Abgabe und Zugang
Im Vertragsrecht ist eine Willenserklärung regelmäßig empfangsbedürftig. Sie ist also an eine andere Person zu richten richten und wird erst wirksam, wenn sie ordnungsgemäß abgegeben und dem Empfänger zugegangen ist.
Abgabe
Eine Willenserklärung ist abgegeben, wenn der Erklärende sie in Richtung auf den Empfänger auf den Weg bringt und er normalerweise mit dem Zugang beim Empfänger rechnen darf. Insoweit sind vier Fälle zu unterscheiden:
- Eine mündliche Erklärung unter Anwesenden ist abgegeben, wenn sie so geäußert wird, dass dieser sie verstehen kann.
- Beachte: telefonische Erklärungen gelten als Erklärung unter Anwesenden (aus § 147 Abs. 1 S. 2 BGB).
- Unter Abwesenden kann eine mündliche Erklärung durch einen Boten abgegeben werden. Sie ist in diesem Fall abgegeben, wenn sie gegenüber dem Boten vollendet und diesem Weisung erteilt ist, diese Erklärung dem Adressaten zu übermitteln.
- Eine schriftliche Erklärung ist gegenüber einem Anwesenden abgegeben, wenn sie diesem so überreicht wird, dass dieser sie ohne Weiteres entgegennehmen kann.
- Beachte: Es kommt nicht darauf an, ob der Empfänger das Dokument auch tatsächlich annimmt.
- Schriftliche Erklärungen gegenüber einem Abwesenden sind abgegeben, wenn der Erklärende das Schriftstück in Richtung auf den Adressaten auf den Weg gebracht hat und unter normalen Umständen mit dem Zugang beim Erklärungsempfänger zu rechnen ist,
- Beachte: Dies setzt voraus, dass ein Brief, der zur Post aufgegeben wurde, die korrekte und vollständige Anschrift enthält und ausreichend frankiert ist.
Zugang
Eine Willenserklärung wird erst mit Zugang beim Empfänger wirksam. Dies ist der Fall, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass er Kenntnis nehmen kann und unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Auch insoweit sind vier Fälle zu unterscheiden:
- Mündliche Erklärungen unter Anwesenden werden in der Regel mit der Abgabe wirksam, weil sie dann vom Empfänger zur Kenntnis genommen werden (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Erklärende aus den Umständen darauf schließen musste, dass der Empfänger die Erklärung überhaupt nicht, nicht richtig oder nicht vollständig zur Kenntnis genommen hat.
- Mündliche Erklärungen unter Abwesenden können nur über Mittelspersonen zugehen. Hierbei ist zu unterscheiden:
- Bei einem Empfangsboten (= Person, die nicht zur Entgegennahme der Erklärung geeignet und ermächtigt ist, z.B. Pförtner oder Sekretär) liegt ein Zugang der Willenserklärung erst zu dem Zeitpunkt vor, zu dem nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge mit Weiterleitung an den Empfänger zu rechnen ist.
- Bei einem Empfangsvertreter (= Person, die zur Entgegennahme von Willenserklärungen ermächtigt ist, dabei aber – im Vergleich zum Boten – selbständig handeln kann, § 164 Abs. 3 BGB, z.B. zuständiger Abteilungsleiter) liegt der Zugang bereits mit Zugang an diesen vor; es ist kein Zugang mehr beim Empfänger nötig.
- Schriftliche Erklärungen unter Anwesenden werden mit Abgabe, d.h. mit der Darreichung an den Empfänger wirksam.
- Schriftliche Erklärungen unter Abwesenden sind zugegangen, wenn sie in den Bereich des Empfängers gelangt sind (z. B. Briefkasten oder Geschäftsräume) und unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann.
- Beachte: Erreicht eine Erklärung den Empfänger zur Unzeit (also außerhalb dessen Geschäftszeiten), gilt sie regelmäßig erst am folgenden Werktag als zugegangen.
Besonderheiten
Einem beschränkt Geschäftsfähigen (§ 106 BGB) gegenüber wird eine Willenserklärung erst wirksam, wenn sie seinem gesetzlichen Vertreter zugegangen ist (§ 131 Abs. 2 S. 1 BGB).
Ist eine Willenserklärung dem Empfänger zugegangen, so wird sie gleichwohl nicht wirksam, wenn ihm vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugegangen ist (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB).
Wichtig
Stellt man nach Absenden einer Erklärung einen Schreibfehler (z.B. falscher Angebotspreis oder falsch bestellte Ware), sollte man sofort reagieren und den Empfänger (telefonisch oder per E-Mail) davon in Kenntnis setzen. Ist die Erklärung diesem noch nicht zugegangen, kann sie wirksam widerrufen werden. Anderenfalls gilt die Erklärung so, wie sie abgegeben wurde (Lehre vom Empfängerhorizont)!