Ein Vertrag ist ein mehrseitiges Rechtsgeschäft. Er kommt regelmäßig durch mindestens zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande. Die Übereinstimmung von Willenserklärungen kann erfolgen durch:
- ein gemeinsam unterzeichnetes Dokument oder
- Angebot und Annahme.
Angebot
Das Vertragsangebot (Offerte) i.S.d. § 145 BGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die einem anderen ein Vertragsschluss so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrags nur von dessen Einverständnis abhängt.
Die Offerte muss also inhaltlich so bestimmt sein, dass die Annahme durch eine bloße Zustimmung des Adressaten erfolgen kann. Hieraus folgt, dass bereits das Angebot alle wesentlichen Vertragsbestandteile (sog. „essentialia negotii“) enthalten muss. Beispielsweise muss bei einem Angebot für einen Kaufvertrag Folgendes bestimmt oder zumindest bestimmbar sein:
- Vertragspartner,
- Kaufgegenstand und
- Kaufpreis.
Nicht zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen gehören dagegen nicht solche Regelungen, die sich lediglich auf die Vertragsdurchführung beziehen, wie zum Beispiel:
- Art und Weise der Lieferung,
- Zahlungsbedingungen (z.B. Fälligkeit, Bankverbindung, Skonto)
- Haftungsbegrenzungen,
- Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).
Werden diese nämlich nicht explizit geregelt, gelten insoweit stets die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen.
Wichtig
Bei Katalogen, Annoncen oder Warenauslagen im Schaufenster eines Geschäfts handelt es sich nicht bereits um ein Angebot, sondern lediglich um eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (sog. „invitatio ad offerendum“). Der Erklärende will sich hier nicht nach § 145 BGB binden lassen, denn anderenfalls könnte eine unüberschaubare Personenzahl durch eine Annahmeerklärung einen Vertragsschluss herbeiführen.
Annahme
Einverständnis
Erklärt der Empfänger sich mit dem Angebot gegenüber dem Anbietenden rechtzeitig einverstanden, kommt mit dem Zugang der Annahme beim Anbietenden der Vertrag zustande.
Schweigen auf ein Angebot
Durch Schweigen auf ein Angebot hin kann grundsätzlich kein Vertrag zustande kommen. Ausnahmen bestehen insoweit nur bei
- Schweigen auf ein Schenkungsangebot (§ 516 Abs. 2 S. 2 BGB),
- Entsprechende Vereinbarung der Parteien,
- Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben.
Bei einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben handelt es sich um ein Schreiben, in dem die Bedingungen eines bereits ausgehandelten Vertrages noch einmal schriftlich fixiert werden. Der Vertrag gilt mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens als abgeschlossen, wenn der Geschäftspartner, der ebenfalls Kaufmann sein muss, nicht unverzüglich widerspricht.
Wichtig
Dies gilt auch dann, wenn das Bestätigungsschreiben einen anderen Inhalt hat als den, der objektiv vertraglich vereinbart wurde, es sei denn, es handelt sich um eine bewusste Fälschung!
Voraussetzungen für ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben sind:
- Absender und Empfänger des Schreibens müssen Kaufleute sein oder ähnlich einem Kaufmann am Geschäftsleben teilnehmen.
- Es müssen bereits tatsächlich Verhandlungen stattgefunden haben. Diese müssen – zumindest aus Sicht des Bestätigenden – bereits zu einem vermeintlichen Vertragsschluss geführt haben. Der Absender des kaufmännischen Bestätigungsschreibens will die geschlossene Vereinbarung nur noch schriftlich fixieren, um für den Fall einer späteren Auseinandersetzung ein geeignetes Beweismittel in Händen zu halten. Daher sind die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben bei einem schriftlichen Vertragsschluss nicht anwendbar, da dann kein Klarstellungsbedürfnis besteht.
- Außerdem muss das Bestätigungsschreiben in zeitlicher Nähe zu den Verhandlungen zugegangen sein. Es muss erkennbar dazu bestimmt sein, einen Vertragsabschluss und seinen Inhalt verbindlich festzulegen. Die Beweislast für den Zugang trägt der Absender.
Sozialtypisches Verhalten
Ein Vertrag kann auch zustande kommen, wenn „im modernen Massenverkehr“ eine Leistung tatsächlich in Anspruch genommen wird.
Beispiele:
- Mit dem Betreten eines Omnibusses kommt ein Beförderungsvertrag zustande.
- Mit dem Abstellen eines Pkw in einem öffentlichen Parkhaus kommt ein Bewachungsvertrag zustande.
Verspätete oder abgeänderte Annahme
Ein Vertragsangebot erlischt , wenn es abgelehnt oder nicht rechtzeitig angenommen wird (§ 146 BGB). Bezüglich der Rechtzeitigkeit gilt Folgendes:
- Unter Anwesenden oder telefonisch kann ein Angebot nur sofort angenommen werden (§ 147 Abs. 1 BGB).
- Gegenüber einem Abwesenden muss der Antrag in dem Zeitraum angenommen werden, in dem der Anbietende normalerweise (Zugang des Angebotes, Überlegungsfrist, Abfassen und Zugang des Annahmeschreibens) mit der Annahme rechnen darf (§ 147 Abs. 2 BGB).
Wird die Annahme verspätet erklärt, gilt sie als neues Angebot (§ 150 Abs. 1 BGB). Dieses muss der ursprünglich Anbietende jetzt seinerseits annehmen.
Das Gleiche gilt, wenn der Annehmende das Angebot abändert (§ 150 Abs. 2 BGB).
Tipp
Um zu vermeiden, an ein Angebot für eine nicht exakt bestimmbare Zeit nach § 145 BGB rechtlich gebunden zu sein, gibt es zwei Möglichkeiten:
- Das Angebot kann ausdrücklich als “freibleibend” erklärt werden. Dieser Zusatz bewirkt, dass sich die Person nicht an dem Angebot binden will. Vielmehr ist das abgegebene Angebot für den Empfänger als Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes zu werten.
- Das Angebot wird zeitlich befristet. (Zusatz: “Dieses Angebot gilt bis zum TT.MM.JJJJ”).
Auslegung und Dissens
Im Einzelfall kann es schwierig sein, zu beurteilen, ob und inwieweit ein Vertragsschluss zustande gekommen ist. Sofern Zweifel an dem Inhalt einer Willenserklärung oder den Inhalt eines Vertrages bestehen, bedarf es daher der Auslegung.
Die Auslegung einer Willenserklärung nach § 133 BGB beinhaltet die Erforschung des maßgeblichen Willens des Erklärenden unter Berücksichtigung aller Umstände. Die Auslegung eines Vertrages gemäß § 157 BGB erfolgt
- nach Treu und Glauben (das Verhalten redlicher, anständiger Menschen) und
- mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (was üblich ist).
Beispiel
Die Parteien vereinbaren den Kauf einer Segel-Yacht zum Preis von 100.000 Dollar.
Hier ist die Bezeichnung “Dollar” ungenau, da es verschiedene Landeswährungen mit dieser Bezeichnung gibt (z.B. US-Dollar- USD, Australischer Dollar – AUD, Belize-Dollar – BZD).
In einem solchen Fall ist auszulegen, welcher Dollar maßgeblich ist. Liegen keine besonderen Umstände vor, ist davon auszugehen, dass der US-Dollar gemeint ist, da dieser die internationale Leitwährung ist. Wurde der Vertrag aber in Australien geschlossen, ist der Australische Dollar anzunehmen, da dies in Australien die nationale Landeswährung ist.
Stimmen nach erfolgter Auslegung die Willenserklärungen nicht überein, so spricht man von einem Dissens. Insoweit ist zu unterscheiden:
- Offener Dissens (§ 154 BGB): Hier wissen die Parteien, dass Angebot und Annahme nicht übereinstimmen. im Zweifel liegt kein Vertragsschluss vor.
- Versteckter Dissens (§ 155 BGB): Die Parteien wissen nicht, dass Angebot und Annahme nicht übereinstimmen. Ein Vertrag ist im Zweifel zustande gekommen. Es gilt trotz fehlender Übereinstimmung das übereinstimmend Vereinbarte, soweit davon ausgegangen werden kann, dass auch ohne Einigung in diesen Punkte der Vertrag zustande gekommen wäre.
Abgrenzung zum Gefälligkeitsverhältnis
Insbesondere bei der Verabredung unentgeltlicher Geschäfte kann unklar sein, ob die Personen mit „Rechtsbindungswillen“ gehandelt haben oder ob ein reines Gefälligkeitsverhältnis ohne vertragliche Bindung vorliegt. Auch dies ist durch Auslegung vom Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 zu beurteilen.
Bei fehlendem Rechtsbindungswillen gilt die „Lehre vom potentiellen Erklärungsbewusstsein“. Eine vertragliche Bindung liegt danach insbesondere dann vor, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Einhaltung der Zusage verlassen muss oder wenn der Leistende seinerseits an der Angelegenheit ein erkennbares rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat.
Ist dies dagegen nicht der Fall, kann dem Handeln der Beteiligten nur unter besonderen Umständen ein rechtlicher Bindungswille zugrunde gelegt werden. Ein Bindungswille wird deshalb in der Regel bei den Gefälligkeiten des täglichen Lebens, bei Zusagen im rein gesellschaftlichen Verkehr oder bei Vorgängen, die diesen ähnlich sind, zu verneinen sein.