Stellvertretung

11.01.2021 | Recht + Steuern

Zuweilen ist es notwendig, rechtsgeschäftliche Handlungen durch einen anderen vornehmen zu lassen – sei es, weil man nicht am Ort des Vertragsschlusses anwesend ist oder weil man nicht die nötige Sachkunde zur Vornahme des Rechtsgeschäfts besitzt. Das BGB räumt in den § 164 ff BGB die Möglichkeit ein, sich eines Stellvertreters zu bedienen.

Wirksame Stellvertretung

Nach § 164 Abs. 1 BGB gibt der Stellvertreter

  • eine eigene Willenserklärung
  • im Namen des Vertretenen ab, muss sich dabei aber
  • im Rahmen der ihm eingeräumten Vertretungsmacht bewegen.

Abgabe einer eigenen Willenserklärung

Im Gegensatz zum Boten, der lediglich eine fremde Willenserklärung überbringt, hat der Stellvertreter einen eigenen Spielraum. Der Stellvertreter muss daher gemäß § 165 BGB zumindest beschränkt geschäftsfähig sein (anders als der Bote).

Handeln im Namen des Vertretenen (Offenkundigkeit)

Der Stellvertreter muss offen legen, dass er im Namen eines Dritten handelt.

Die Offenkundigkeit dient dem Schutz des Vertragspartners, der wissen möchte, mit wem er ein Geschäft abschließt. Die Offenlegung muss nicht ausdrücklich erfolgen; es genügt, dass sich das Vertretungsverhältnis aus den Umständen ergibt (§ 164 Abs. 1 S.  2BGB).

Gibt der Stellvertreter nicht zu erkennen, dass er für einen anderen handeln will, schließt er das Geschäft für sich selbst ab. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Vertragspartner das Vertretungsverhältnis erkennen konnte.

Eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip besteht beim sog. „Geschäft für den, den es angeht“. Dabei handelt es sich um Bargeschäfte des täglichen Lebens, die sofort erfüllt werden (z.B. Kauf einer Tüte Milch im Supermarkt) . In diesem Fall bedarf der Vertragspartners nicht des Schutzes, da er die Gegenleistung sofort erhält, kann es ihm egal sein, wer sein Vertragspartner ist.

Vertretungsmacht

Der Vertretene (= der Geschäftsherr) wird aus dem Geschäft jedoch nur verpflichtet, wenn der Stellvertreter im Rahmen der ihm zustehenden Vertretungsmacht gehandelt hat (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB).

Die Vertretungsmacht kann zum einen aus dem Gesetz folgen:

  • Vertretungsmacht des Geschäftsführers für eine GmbH (§ 35 GmbHG),
  • Vertretungsmacht des Vorstands für eine AG (§78 Abs. 1 AktG),
  • Vertretungsmacht der Eltern für ihre Kinder (§ 1629 Abs. 1 BGB),
  • Vertretungsmacht des Betreuers für den Betreuten (§§ 1896, 1902 BGB),
  • Schlüsselgewalt der Ehegatten (= Berechtigung der Ehegatten, Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung für den anderen Ehegatten zu besorgen) (§ 1357 BGB).

Die Vertretungsmacht kann jedoch auch durch Rechtsgeschäft erteilt werden (sog. „Vollmacht“). Die Vollmacht kann erteilt werden durch

  • Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden (Innenvollmacht, § 167 Abs. 1, 1. Fall BGB) oder
  • Erklärung gegenüber dem Dritten, demgegenüber die Vertretung stattfinden soll (Außenvollmacht, § 167 Abs. 1, 2. Fall).

Die Bevollmächtigung ist also eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie bedarf keiner besonderen Form.

Je nach dem Umfang der eingeräumten Vertretungsmacht werden verschiedene Arten der Vollmacht unterschieden:

  • Generalvollmacht = für alle Arten von Geschäften, z.B.:
    • Gesetzliche Vertreter von Unternehmen (z.B. Vorstand für eine AG),
    • Prokuristen i.S.d. § 49 HGB (Abkürzung: ppa. = per procura),
  • Gattungsvollmacht = für eine bestimmte Art von Geschäften , z.B.:
    •   Bereichs- und Abteilungsleiter (Abkürzung: i.V. = in Vollmacht),
  • Spezialvollmacht = für den Abschluss eines bestimmtes Geschäfts , z.B.:
    • Sachbearbeiter oder Projektleiter (Abkürzung: i.A. = im Auftrag).

Erlöschen der Vollmacht

Die Dauer der Vollmacht richtet sich gemäß § 168 S. 1 BGB nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Sie erlischt also, wenn sie nur für ein bestimmtes Geschäft erteilt und dieses abgewickelt worden ist oder mit Fristablauf, wenn sie nur für einen bestimmten Zeitraum erteilt worden ist.

Nach § 168 S. 2 BGB kann die Vollmacht auch durch Widerruf erlöschen. Der Widerruf folgt gemäß § 168 S. 3 BGB den gleichen Regeln wie die Erteilung der Vollmacht.

Mit dem Erlöschen der Vollmacht ist dem Stellvertreter die Vertretungsmacht entzogen, d.h. er kann keine Geschäfte mit Wirkung für und gegen den Geschäftsherrn mehr vornehmen.

Das Gesetz hält jedoch einige Sonderregelungen bereit, um den Dritten, der nichts vom Erlöschen der Vollmacht weiß, zu schützen:

  • Das Erlöschen der Außenvollmacht muss dem Dritten nach § 170 BGB vom Vollmachtgeber angezeigt werden.
  • Ist eine Innenvollmacht durch eine gesonderte Mitteilung an einen Dritten oder durch öffentliche Bekanntmachung kundgegeben worden (kundgegebene Innenvollmacht), muss die Kundgebung gemäß § 171 BGB in der gleichen Weise widerrufen werden, wie sie erfolgt ist.
  • Ist dem Stellvertreter eine Vollmachtsurkunde ausgehändigt worden, muss die Urkunde gemäß § 172 BGB zurückgegeben (§175 BGB) oder für kraftlos erklärt (§ 176 BGB) werden.

Rechtsscheinvollmacht

In bestimmten Fällen ist eine Vollmacht anzunehmen, auch wenn eine solche gar nicht erteilt worden ist. Dies ist der Fall, wenn der Dritte aufgrund der Gesamtsituation davon ausgehen musste und darauf vertrauen durfte, dass eine Vollmacht erteilt worden ist.

  • Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene weiß, dass ein Dritter für ihn als Vertreter auftritt und dies duldet.
  • Eine Anscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene zwar nicht weiß, dass ein Dritter für ihn als Vertreter auftritt, es aber bei sorgfältigem Verhalten hätte erkennen können.

Wirkungen der Stellvertretung

Vertretung mit Vertretungsmacht

Hält sich der wirksam bevollmächtigte Vertreter an den Rahmen seiner Vertretungsmacht, wirkt seine Willenserklärung unmittelbar für bzw. gegen den Vertretenen (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies bedeutet, dass die rechtlichen Folgen seines Handelns nicht ihn, sondern den Geschäftsherren  treffen – so als wäre dieser selbst tätig geworden.

Unterliegt der Vertreter bei der Abgabe seiner Willenserklärung einem Irrtum, ist der Vertretene an die irrtümliche Erklärung gebunden. Soweit in der Person des Vertreters die Voraussetzungen der §§ 119 ff BGB für die Anfechtung der Willenserklärung vorliegen, kann der Vertretene nach §166 BGB die Anfechtung erklären.

Vertretung ohne Vertretungsmacht

Hat der Vertreter dagegen ohne Vertretungsmacht oder nicht im Rahmen der Vertretungsmacht gehandelt, ist der von ihm im Namen des Vertretenen abgeschlossene Vertrag schwebend unwirksam (§ 177 BGB). Der Geschäftsherr kann das Geschäft jedoch genehmigen (dies gilt indes nicht für einseitige Rechtsgeschäfte, § 180 BGB). Gemäß §§ 182, 184 BGB kann der Geschäftsherr die Genehmigung sowohl gegenüber dem Vertreter als auch gegenüber dem Dritten erklären.

Solange die Genehmigung nicht erfolgt ist, kann der Dritte seine Willenserklärung widerrufen und so das Wirksamwerden des Geschäftes verhindern; dies gilt aber nur, wenn der Dritte vom Mangel der Vertretungsmacht keine Kenntnis hatte (§ 178 BGB).

Fordert der Dritte den Geschäftsherrn ausdrücklich zur Genehmigung auf, kann diese hingegen nur ihm gegenüber erklärt werden (§ 177 Abs. 2 BGB).

Äußert sich der Geschäftsherr nicht binnen zwei Wochen auf die Aufforderung, gilt die Genehmigung als verweigert (§ 177 Abs. 2 S. 2 BGB). Verweigert der Geschäftsherr die Genehmigung, wird das Geschäft endgültig unwirksam.

In diesem Fall ist der ohne Vertretungsmacht agierende Stellvertreter zur Erfüllung oder zum Schadenersatz verpflichtet (§ 179 BGB).

Missbrauch der Vertretungsmacht

Schließt der Vertreter mit einem Dritten einvernehmlich ein Rechtsgeschäft ab, um den Vertretenen zu schädigen (sog. „kollusives Zusammenwirken“), gilt das Geschäft als sittenwidrig und ist gemäß § 138 nichtig.

Beispiel

Ein Einkäufer bestellt bei einem Lieferanten eine Maschine zu einem deutlich über den Marktwert liegenden Preis. Hierfür zahlt ihm der Lieferant einen Geldbetrag, den der Einkäufer für private Zwecke verwendet.

Insichgeschäft

§ 181 BGB verbietet sog. „Insichgeschäfte“ des Vertreters, um Interessenkollisionen vorzubeugen. Dies sind Geschäfte, die der Vertreter mit sich selbst abschließt:

  • Selbstkontrahieren: Der Vertreter handelt auf der einen Seite des Vertrags im eigenen Namen, auf der anderen in fremdem Namen,
  • Mehrvertretung: Der Vertreter handelt auf beiden Seiten des Vertrags in fremdem Namen.

Ausnahmsweise gilt das Verbot nicht, wenn

  • der Vertretene das Insichgeschäft gestattet hat,
  • das Geschäft in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteh oder
  • das Rechtsgeschäft für den Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil (z.B. bei einer Schenkung) bringt.

Wichtig

Wenn in Unternehmen Mitarbeitern Vollmachten erteilt werden, ist darauf zu achten, ob diese ausnahmsweise Insichgeschäfte tätigen dürfen sollen (in der Praxis in den allermeisten Fällen die Ausnahme; wenn überhaupt nur bei Geschäftsführern oder Vorständen). In diesen Fällen ist bei der Vollmachtserteilung der Zusatz anzugeben “Er / Sie ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit”.