Eine Geschäftsidee zu entwickeln reicht nicht aus, um wirtschaftlichen Erfolg zu haben. Vielmehr stehen Sie nun vor der Aufgabe herauszufinden, wie sich Ihre Idee unter Berücksichtigung der vorhandenen Ressourcen und des Marktpotenzials optimal wirtschaftlich nutzen lässt. Hierfür bietet es sich an, ein Konzept für ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das die wirtschaftliche Tragfähigkeit zumindest in groben Zügen erkennen lässt.
Zielsetzung
Unter einem Geschäftsmodell versteht man im Allgemeinen eine vereinfachte und komprimierte Darstellung, welche Ressourcen in die Unternehmung fließen und wie diese durch den innerbetrieblichen Leistungserstellungsprozess in vermarktungsfähige Produkte oder Dienstleistungen umgesetzt werden können. Das Geschäftsmodell sollte die folgenden grundlegenden Fragen beantworten:[1]
- Welches Nutzenversprechen (Value-Proposition) hat das zukünftige Unternehmen für Kunden und strategische Partner?
- Auf welche Art und Weise soll dieser Nutzen gegenüber den Kunden generiert werden (Architektur der Wertschöpfung)?
- Aus welchen Quellen soll das Unternehmen seine Einnahmen und Ausgaben generieren (Erlös- und Kostenmodell)?
In der Fachliteratur sind verschiedene Ansätze zu finden, wie ein solches Geschäftsmodell praxistauglich entwickelt werden kann. Im Folgenden soll die von Alexander Osterwalder und Yves Pigneur entwickelte Methode des Business-Model-Canvas näher beleuchtet werden, sie hat sich parallel zur Lean-Startup-Methode entwickelt und in der Praxis weitgehend durchgesetzt.[2]
Business Model Canvas
Das Ziel einer Business-Model-Canvas (Geschäftsmodell-Leinwand) besteht darin, die einzelnen Bereiche eines Unternehmens strukturiert auf einer einzigen Seite (der Canvas) darzustellen. So lässt sich auf einen Blick erfassen, wie sie sich gegenseitig beeinflussen und wie ihre Beziehungen optimiert werden können.
Zur Erstellung der Canvas benötigt man einen großen Papierbogen, es empfiehlt sich das Format DIN A0. Auf diesem wird ein Quadrat mit neun gleichen Feldern gezeichnet, die die wesentlichen Unternehmensbereiche (die sogenannten Schlüsselfaktoren) darstellen. Im Zentrum der Canvas steht das Nutzenversprechen für den Kunden (Value-Proposition). Links hiervon sind die unternehmensbezogenen Schlüsselfaktoren aufgeführt, nämlich:
- Schlüsselpartner,
- Schlüsselaktivitäten,
- Schlüsselressourcen,
- Kostenstruktur.
Rechts sind die marktbezogenen Schlüsselfaktoren aufgezeichnet:
- Kundenbeziehungen,
- Kundensegmente,
- Marketingkanäle,
- Einnahmequellen.
Sobald die Canvas fertiggestellt ist, werden – am Besten in einem interdisziplinären Team – zu jedem Schlüsselfaktor Ideen entwickelt und stichwortartig auf Zettel geschrieben. Diese werden den Schlüsselfaktoren thematisch zugeordnet und in die betreffenden Felder des Canvas einsortiert. Das Canvas funktioniert wie ein Baukasten, der es erlaubt, die einzelnen Aspekte des Unternehmens zu betrachten, zu verschieben und neu zusammenzufügen, bis ein marktfähiges Geschäftsmodell entstanden ist.
Bei der Erstellung des Canvas müssen für jeden einzelnen Schlüsselfaktor Kernfragen beantwortet werden. Diese werden im Folgenden näher beschrieben.
Kundensegmente
Ausgangspunkt der Betrachtung sind die Kundensegmente (customer segments). Es geht darum, sich klar zu werden, welche Kundengruppen für das Produkt (Ware oder Dienstleistung) infrage kommen. Dabei ist auch zu analysieren, wie groß diese Gruppen sind, welche Wertvorstellungen sie haben und wie ihre Entscheidungsprozesse verlaufen. Festgelegt wird zudem, in welchem Maß die Unterscheidung der potenziellen Kunden nach ihren Bedürfnissen und Problemen („Segmentierung“) erfolgen sollte, denn dies wirkt sich auf die anderen Bausteine des Geschäftsmodells aus. Liegt der Fokus des Unternehmens auf sogenannten Nischenmärkten, ist regelmäßig ein hohes Maß an Spezifizierung des Kundensegments erforderlich. Richtet sich das Unternehmen dagegen eher auf einen „Massenmarkt“ aus, kann auf eine eingehende Differenzierung der einzelnen Kundensegmente verzichtet werden.
Wichtig
Wer ist die Zielgruppe?
Nutzenversprechen
Anschließend wird das Produkt (Ware oder Dienstleistung) betrachtet. Es gilt herauszuarbeiten, welches Wertangebot oder Nutzenversprechen (Value-Proposition) mit ihm verbunden ist. Denn nur wenn das Produkt ein Bedürfnis der Kunden befriedigt oder zur Lösung eines speziellen Problems dient, kann es sich am Markt etablieren.
Die Wertangebote können unterschiedlicher Natur sein. Sie können sich beispielsweise dadurch auszeichnen, dass sie aufgrund ihrer Neuheit überhaupt erst ein Bedürfnis des Kunden wecken. Die Wertschöpfung für den Kunden kann aber auch durch eine Verbesserung bestehender Produkte, Arbeitserleichterung, niedrigere Kosten oder mehr Anwenderfreundlichkeit steigen. Zu guter Letzt kann der Wert für Kunden im bloßen Design bestehen.
Wichtig
Welchen Nutzen haben die Kunden, wenn sie das Produkt erwerben?
Marketingkanäle
Hat ein Unternehmen seine Zielgruppen und den Produktnutzen für diese erkannt, untersucht es, welche Kommunikations- und Vertriebskanäle (Channels) sich eignen, um den potenziellen Kunden das Produkt bekannt und verfügbar zu machen. Es sind also Überlegungen anzustellen, wie und wo Werbung für das Produkt gemacht und an welchen Verkaufsorten (Point of Sale) es angeboten werden sollte, zum Beispiel im Groß- oder Einzelhandel oder in Online-Shops.
Nach Osterwald und Pigneur existieren fünf Kanalphasen und fünf wesentliche Kanaltypen, die sich zum einen als direkte oder indirekte und zum anderen in eigene und Partnerkanäle untergliedern lassen, darunter Verkaufsabteilung, Internetverkauf, eigene Filiale, Partnerfiliale oder Großhändler. Die Herausforderung für ein Unternehmen besteht darin, die Kanäle derart auf die regelmäßig bei der Kaufentscheidung ablaufenden Phasen Aufmerksamkeit, Bewertung, Kauf, Vermittlung sowie nach dem Kauf abzustimmen, dass die Kundenerfahrung als hervorragend erlebt und der Umsatz dadurch maximiert wird.
Wichtig
Wie erfahren Kunden von dem Angebot und wie bekommen sie es?
Kundenbeziehungen
Im nächsten Schritt wird festgelegt, wie die Kundenbeziehungen (Customer-Relations) gestaltet werden sollen. Entscheidend hierfür sind die Erwartungshaltungen der Kunden. Einige Märkte setzen den Aufbau einer persönlichen Bindung und einen vertrauensvollen Umgang voraus – das gilt insbesondere für Freiberufler wie Rechtsanwälte, Steuerberater oder Unternehmensberater –, in anderen Märkten ist die Interaktion mit dem Kunden nahezu vollständig automatisiert, etwa bei Smartphone-Applikationen.
Wichtig
Wie können die anvisierten Kunden gewonnen und gebunden werden?
Einnahmequellen
Nachgedacht wird zudem über die Einnahmequellen (revenue streams) in dem Geschäftsmodell. Zu diesem Zeitpunkt geht es nicht darum, konkrete Umsatzerwartungen zu formulieren, sondern die Erlösstruktur festzulegen. Sie sollte so gestaltet sein, dass sie aus Kundensicht die Hürde senkt, eine Geschäftsbeziehung einzugehen. Es geht beispielsweise darum, ob der Kunde eine Ware nur durch Zahlung eines einmaligen Kaufpreises erwerben kann oder ob ihm auch anderweitige Finanzierungsmöglichkeiten wie Miete oder Leasing angeboten werden sollen. Ebenso kann eine Dienstleistung durch ein Pauschalhonorar abgegolten oder auf Stundenbasis abgerechnet werden.
Wichtig
Woher kommt das Geld?
Schlüsselressourcen
Nach einer eingehenden Betrachtung des Produkts und des Marktes wird geprüft, ob und inwieweit das Unternehmen in der Lage ist, das Produkt anzubieten. Dazu wird zunächst festgestellt, über welche Schlüsselressourcen es verfügt. Darunter fallen alle intellektuellen, physischen, menschlichen und finanziellen Faktoren, die für die Produktion einer Ware oder die Erbringung einer Dienstleistung zwingend notwendig sind, zum Beispiel Know-how, Geschäftsräume, Personal und Investitionskapital.
Wichtig
Welche Ressourcen sind unverzichtbar?
Schlüsselaktivitäten
Zu den Schlüsselaktivitäten gehören die wichtigsten Handlungen eines Unternehmens, die zum Gelingen des Geschäftsmodells beitragen. Sie ermöglichen erst, dass ein Produkt geschaffen und angeboten werden kann. Bei der Analyse werden die Aspekte herausgearbeitet, die im Hinblick auf das Wertangebot, die Kanäle sowie die Einnahmequellen eine Rolle spielen.
Wichtig
Was ist zu tun, um das Geschäftsmodell zu realisieren?
Schlüsselpartner
Des Weiteren ist zu überlegen, ob und inwieweit Beziehungen mit Schlüsselpartnern eingegangen werden sollen. Dazu zählen Lieferanten und Partner, die nötig sind, damit ein Geschäftsmodell funktioniert. Allianzen werden vor allem gebildet, um Geschäftsmodelle zu optimieren, Risiken zu minimieren und/oder Zugang zu wesentlichen Ressourcen zu erhalten.
Wichtig
Wer kommt als Partner infrage?
Kostenstruktur
Schließlich bedarf es einer Analyse der Kostenstruktur, denn neben den Einnahmen haben die Kosten entscheidenden Einfluss auf den Gewinn. Dazu werden zunächst alle Kosten, die für den Betrieb des Geschäftsmodells anfallen, erfasst und anschließend strukturiert. Die Kostenstruktur kann sich aus einer Einteilung in fixe und variable Kosten ergeben oder aus der Unterscheidung zwischen kostenorientierten und wertorientierten Geschäftsmodellen.
Bei kostenorientierten Geschäftsmodellen, insbesondere beim Streben nach der Preisführerschaft, liegt der Fokus auf der Minimierung von Kosten. Diese werden demnach in erster Linie danach beurteilt, ob sie reduziert oder sogar eliminiert werden können. Dagegen richtet sich der Fokus bei wertorientierten Geschäftsmodellen auf die Erhöhung der Wertschöpfung, um sich von den Wettbewerbern zu differenzieren. Hier werden Kosten vor allem danach beurteilt, ob und inwieweit sie für die Wertsteigerung erforderlich sind.
Wichtig
Welches sind die wichtigsten Ausgaben, ohne die das Geschäftsmodell nicht funktionieren würde?
[1] Vgl. Stähler (2001).
[2] Vgl. Osterwalder, Pigneur (2011); BMWi: Business Model Canvas.