Abstraktions- und Trennungsprinzip

12.01.2021 | Recht + Steuern

Als Besonderheit unterscheidet das deutsche Recht nach dem Trennungsprinzip den eigentlichen Vertrag von der sogenannten nachfolgenden Rechtsänderung. Dies bedeutet, dass der Vertrag zunächst einen schuldrechtlichen Vertrag (sog, “Verpflichtungsgeschäft.”) darstellt, durch den rechtsverbindliche Ansprüche überhaupt erst entstehen.

Beispiel

Beim Abschluss eines Kaufvertrages verpflichtet sich der Verkäufer lediglich dazu, dem Käufer die Kaufsache zu überlassen und zu übereignen. Ebenso verpflichtet sich der Käufer im Gegenzug nur dazu, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und den Kaufgegenstand abzunehmen.

Ein Eigentumsübergang an der Kaufsache hat damit noch nicht stattgefunden. Um seine Verpflichtung zu erfüllen, muss der Verkäufer den die Kaufsache durch einen gesonderten Vertrag übereignen

Zur Erfüllung der durch das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft begründeten Ansprüche bedarf es nun eines weiteren Vertrages (sog. “Erfüllungsgeschäft” oder “Verfügungsgeschäft”), für den die allgemeinen Voraussetzungen für das wirksame Zustandekommen eines Vertrages erneut vollständig vorliegen müssen.

Beispiel

A und B schließen einen schriftlichen Kaufvertrag über ein Auto ab. Den Wagen und die Papiere erhält A eine Woche später. Daraufhin bezahlt A den PKW vier Tage später in bar.

Es sind zu unterschieden:

  • 1. Vorgang:   Der Kaufvertrag – mit dem Inhalt, dass A und B sind sich einig sind, dass A das Auto und B den Kaufpreis bekommen soll.
  • 2. Vorgang:   Das Verfügungsgeschäft – dieses  erfolgt durch die Übergabe des Autos und der Papiere, womit das Eigentum auf A übertragen wird.
  • 3. Vorgang:   Die Zahlung des Kaufpreises – sie dient der Erfüllung des Verpflichtungsgeschäftes, da B auf die Zahlung des Kaufpreises einen Anspruch hat.

Diese Trennung ist Voraussetzung für das Abstraktionsprinzip. Dieses besagt, dass ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft und das darauf beruhende sachenrechtliche Verfügungsgeschäft strikt voneinander zu trennen und in ihrem rechtlichen Bestand voneinander unabhängig zu beurteilen sind. Ein Erfüllungsgeschäft ist demnach auch dann wirksam, wenn das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft unwirksam ist.

Beispiel (wie vor)

Angenommen den Fall, dass A bei Abschluss des Kaufvertrages (1. Vorgang) noch keine 18 Jahre alt und daher nur beschränkt geschäftsfähig war und auch dessen Eltern mit dem Vertragsabschluss nicht einverstanden waren, die Volljährigkeit aber bei der Übereignung (2. Vorgang) bereits eingetreten ist, gilt Folgendes:

  • Der Kaufvertrag ist (schwebend) unwirksam.
  • Die Übereignung des Autos ist wirksam.

A wäre damit zwar neuer Eigentümer des Autos, aber nicht aus dem unwirksamen Kaufvertrag heraus verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen (3. Vorgang).

Die interessengerechte Rückabwicklung erfolgt in solchen Fällen nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung.