Anfechtung

11.01.2021 | Recht + Steuern

Eine Anfechtung ist eine Willenserklärung, durch die die nachträgliche Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts eintritt. Dies bedeutet, dass das Rechtsgeschäft zunächst wirksam ist, aber durch die (wirksame) Anfechtung nachträglich unwirksam wird.

Anfechtungsgründe

Die Anfechtung ist nur aufgrund der im BGB abschließend aufgezählten Gründe zulässig. Diese Anfechtungsgründe sind:

  • Irrtum (§ 119 BGB),
  • Arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung (§ 123 BGB),
  • Übermittlungsfehler bei Willenserklärungen unter Abwesenden (§ 120 BGB).

Irrtum

Es werden verschiedene Arten von Irrtümern unterschieden:

  • Erklärungsirrtum: Nichtübereinstimmung des Erklärten mit dem Gewollten (z.B. Vertippen, Verschreiben, Versprechen),
  • Rechtsfolgenirrtum: Irrtum über die Folgen eines Vertrages, dieser ist jedoch nur erheblich, wenn es um unmittelbare Rechtsfolgen geht (z. B. genügt es nicht, wenn man sich darüber irrte, dass man bei einem Kaufvertrag die Gewährleistung vollständig ausschließen könne)
  • Inhaltsirrtum: Irrtum über den Inhalt der Erklärung (objektiv Erklärtes und subjektiv Gewolltes sind nicht identisch), diese können sein:
    • error in negotio – Irrtum über die Art des Geschäftes
    • error in objecto – Irrtum über die Identität Geschäftsgegenstands
    • error in persona – Irrtum über die Identität des Geschäftspartners
  • Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft: Eine Person oder Sache weist nicht eine verkehrswesentliche Eigenschaft auf, auf die sich die Erklärung bezieht; die Verkehrswesentlichkeit ergibt sich dabei aus;
    • der Parteivereinbarung oder
    • den erkennbar geäußerten Erwartungen des Erklärenden

Der Irrtum muss jedoch subjektiv kausal und objektiv erheblich sein, um eine Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen.

Ein Irrtum über den Grund, der den Erklärenden dazu bewegt hat, seine Willenserklärung abzugeben, (sog. „Motivirrtum“) berechtigt grundsätzlich nicht zur Anfechtung. Anschaffungen für Projekte (z.B. Maschinen, Geschäftsaustattungen oder Personal) , die dann doch nicht durchgeführt werden, berechtigen daher nicht zur Anfechtung.

Beispiel

A will ein Unternehmen gründen und mietet daher Geschäftsräume an. Später überlegt er es sich jedoch anders. Der Mietvertrag kann dann nicht angefochten, sondern nur ordentlich gekündigt werden..

Ebenso berechtigt ein Fehler in der Berechnung z.B. einer Menge oder eines Preises (sog. „Kalkulationsirrtum“) grundsätzlich nicht zur Anfechtung.

Beispiel

Für der Ermittlung eines Angebotspreises wird der Material- und Personalaufwand zu niedrig kalkuliert.

Allerdings gilt:

Wurde die Berechnungsgrundlage nach außen offengelegt, sodass der Vertragspartner nach normalen Umständen den Fehler nachvollziehen kann, besteht die Möglichkeit, den Fehler im Wege der Auslegung zu korrigieren.

Arglistige Täuschung

Täuschung ist ein Verhalten, das bei einem anderen einen Irrtum erregt oder aufrecht erhält. Dieser Irrtum muss dann ursächlich für die Abgabe einer Willenserklärung sein (Kausalität).

Subjektive Voraussetzung ist die Arglist. Diese liegt vor, wenn der Täuschende die Unrichtigkeit seiner Angaben kennt und das Bewusstsein hat, den anderen durch die Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung zu bestimmen.

Beispiel

Im Rahmen eines Bewerbungsgespräches gibt ein Bewerber unrichtigerweise an, er verfüge über die für di Tätigkeit zwingend notwendigen Qualifikationen (z.B. LKW-Führerschein). Der später geschlossene Arbeitsvertrag ist dann anfechtbar. Das Kündigungsschutzgesetz findet in solchen Fällen keine Anwendung!

Widerrechtliche Drohung

Eine Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Verwirklichung der Drohende Einfluss zu haben vorgibt.

Die Widerrechtlichkeit einer Drohung kann sich ergeben aus:

  • dem angewendeten Mittel (z.B. Gewalt),
  • dem verfolgten Zweck (z.B. Begehung einer Straftat) oder
  • dem Verhältnis von Mittel und Zweck (z.B. das Nichthinauslassen aus einem Raum, wenn nicht vorher etwas gekauft wurde).

Der Drohende muss sich dabei jedoch bewusst sein, dass sein Verhalten geeignet ist, den Bedrohten zur Abgabe der gewünschten Willenserklärung zu bestimmen, und dies auch wollen.

Anfechtung wegen Übermittlungsfehler

Der sogenannte Übermittlungsirrtum (§120 BGB) besteht in einer vom Erklärungsboten unbewusst irrtümlich übermittelten Willenserklärung.

Beispiel

Bei der sog. “stillen Post” werden die Aussagen von einem zum anderen immer ein wenig verfälscht weitergegeben. Die Erklärung, wie sie dem Empfänger zugeht, hat dann oft nichts mehr mit der ursprünglichen Erklärung zu tun.

Diese Art von Irrtum wird dem Erklärungsirrtum gleichgestellt.

Anfechtungsfrist

Die Anfechtung muss in den Fällen eines Irrtums (§ 119 BGB)  oder wegen eines Übermittlungsfehlers (§ 120 BGB) ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

Wichtig

Wenn Sie feststellen, dass Sie sich bei der Abgabe einer Erklärung geirrt haben (z.B. sich bei Ihrem Angebotspreis vertippt haben – eine Null vergessen), müssen Sie sofort reagieren! Wenn kein Widerruf vor Zugang der Erklärung beim Empfänger nicht möglich ist, können Sie den Vertrag dann wenigstens noch anfechten. Wenn Sie auch nur ein wenig zögern, bleibt der Vertrag wirksam!

Die Anfechtung einer durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche  Drohung bestimmten Erklärung (§ 123 BGB) kann binnen einer Jahresfrist erfolgen. Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört.

In allen Fällen ist die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

Schadensersatz bei Anfechtung

Ist eine Willenserklärung wegen eines Irrtums (§ 119 BGB)  oder wegen eines Übermittlungsfehlers (§ 120 BGB) angefochten, so hat der Erklärende dem Erklärungsempfänger und jedem Dritten den Schaden zu ersetzen, den dieser oder der Dritte dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut (sog. „Vertrauensschaden“). Die Schadensersatzpflicht tritt jedoch nicht ein, wenn der Beschädigte den Grund der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (kennen musste).