Grundlagen
Dieses Modell beschreibt den Zusammenhang zwischen dem Erreichen bestimmter Eigenschaften eines Produkts und der erwarteten Zufriedenheit von Kunden. Es eignet sich insbesondere als Ansatz für Produktentwicklung, der direkt auf das Begeistern der Menschen und das Vermeiden von Enttäuschungen abzielt. Zunächst wird zwischen Hygiene- und Motivationsfaktoren unterschieden. Mit den Hygienefaktoren soll die Unzufriedenheit beseitigt werden, doch allein mit dem Ausschalten negativer Faktoren entsteht noch keine Zufriedenheit. Damit Zufriedenheit entsteht, müssen zusätzliche Anforderungen erfüllt werden.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass Kundenwünsche ganz unterschiedlich sein können. Zufriedenheit ist also nicht als eindimensionales, sondern als mehrdimensionales Konstrukt anzusehen. Dementsprechend werden die Kundenanforderungen in drei Dimensionen, eingeteilt.
- Basisanforderungen (must-be requirements): Dieser Begriff beschreibt die Musskriterien. Diese sind so grundlegend und selbstverständlich, dass sie dem Kunden erst bewusst werden, wenn sie nicht vorliegen (implizite Erwartungen). Werden diese Grundforderungen nicht erfüllt, entsteht Unzufriedenheit. Demgegenüber führt deren Erfüllung nicht zur Zufriedenheit, sondern lediglich dazu, dass sich der Kunde nicht unzufrieden fühlt. Für den Anbieter stellen Basisanforderungen folglich Pflichtkriterien dar, die zwingend sind, um auf dem Absatzmarkt zu bestehen. Wettbewerbsvorteile aufgrund besserer Basisleistungen im Vergleich zur Konkurrenz lassen sich – wenn überhaupt – nur kurzfristig erzielen.
- Leistungsanforderungen (one-dimensional requirements): Diese Merkmale werden vom Kunden bewusst wahrgenommen und von ihm ausdrücklich verlangt. Sie beseitigen Unzufriedenheit oder sorgen für Zufriedenheit, das hängt vom Maß der Erfüllung ab. Je höher der Erfüllungsgrad ausfällt, desto größer ist die Zufriedenheit und umgekehrt. Das kann sich zum Beispiel auf die Datenübertragungsrate im Internet oder die Anzahl der Bildpunkte einer Digitalkamera beziehen. Auf Märkten mit intensivem Wettbewerb können sich nur solche Produkte behaupten, die hinsichtlich der vom Kunden wahrgenommenen Leistungsanforderungen hohe Levels aufweisen. In vielen Branchen dient vor allem diese Anforderungskategorie zur Differenzierung gegenüber der Konkurrenz.
- Begeisterungsanforderungen (attractive requirements): Hierbei handelt es sich um nutzenstiftende Merkmale, mit denen der Kunde nicht unbedingt rechnet und sie deshalb auch nicht explizit formuliert. Wenn eine Ware oder Dienstleistung derartige Eigenschaften aufweist, erscheinen sie dem Kunden als neu und innovativ. Diese Wahrnehmung kann beim Kunden Begeisterung auslösen. In jedem Fall entsteht kein Gefühl der Unzufriedenheit, wenn alle Basis- und Leistungsanforderungen das vom Kunden definierte Leistungsniveau erfüllen. Erst auf dieser Basis eröffnet sich einem Unternehmen häufig die Möglichkeit, sich mit seinem Produkt von denen der Wettbewerber abzuheben. Die für den Kunden direkt wahrnehmbare Abgrenzung kann daher für ein Unternehmen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen.
Die Zusammenhänge der einzelnen Dimensionen lassen sich der folgenden Abbildung entnehmen.
Neben den drei Eigenschaften können weitere Produkteigenschaften unterschieden werden:
- Unerhebliche Merkmale (indifferent requirements): Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie ohne Belang für den Kunden sind, ob sie nun vorhanden sind oder nicht. Sie können daher keine Zufriedenheit stiften, führen aber nicht zu Unzufriedenheit.
- Abweisungsmerkmale (reverse requirements): Sie lösen Unzufriedenheit aus, jedoch keine Zufriedenheit wenn sie nicht vorhanden sind.
Beispiel
So könnten die unterschiedlichen Anforderungen bei einem Pkw aussehen:
- Basisanforderungen: Sicherheitsgurt, Fahrer-Airbag, Rostschutz,
- Leistungsanforderungen: kurzer Bremsweg, Beschleunigung, geringer Verbrauch,
- Begeisterungsanforderungen: Sonderausstattung, Design,
- unerhebliche Merkmale: Automatikgetriebe, Schiebedach,
- Abweisungsmerkmale: Totalschaden.
Es ist zu beachten, dass sich im Lauf der Zeit die Anforderungen der Kunden verschieben können, da ein Gewöhnungseffekt eintritt. Ein Begeisterungsmerkmal kann dann zu einer Leistungsanforderung, später sogar zu einer Basisanforderung werden.
Beispiel
Während Airbags und Servolenkung früher Begeisterung auslösten, werden sie jetzt von immer mehr Kunden vorausgesetzt. Sie gehören damit aus Kundensicht schon zu den Basismerkmalen.
Fragebogen
Die Erwartungshaltung von Kunden lässt sich sowohl mit strukturierten Interviews als auch mit einer schriftlichen Befragung ermitteln. Dabei sollten die Befragten in Bezug auf die zu messende Produkteigenschaft jeweils zweimal auf verschiedene Weise antworten:
- Funktional (positiv formuliert):
- Was würden Sie sagen, wenn das Produkt über … verfügt?
- Was würden Sie sagen, wenn es mehr … gäbe?
- Dysfunktional (negativ formuliert):
- Was würden Sie sagen, wenn das Produkt nicht über … verfügt?
- Was würden Sie sagen, wenn es weniger … gäbe?
Für beide Fragen stehen jeweils folgende Antwortmöglichkeiten zur Verfügung:
- Das würde mich sehr freuen.
- Das setze ich voraus.
- Das ist mir egal.
- Das nehme ich gerade noch hin.
- Das würde mich sehr stören.
Tipp
Mit einem standardisierten Fragebogen wird die Einflussnahme durch den Interviewer reduziert. Bei Verständnisschwierigkeiten kann der Interviewer sofort oder durch Nachfragen erklärend eingreifen, da sich bei der neuartigen Fragebogentechnik Rückfragen ergeben können.
Für die die Auswertung werden zunächst die Antworten der funktionalen und dysfunktionalen Frage gemäß der Kano-Auswertungstabelle kombiniert. Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, um welche Art von Merkmal es sich bei der betreffenden Produkteigenschaft handelt.
Dysfunktional | ||||||
Das würde mich sehr freuen | Das setze ich voraus | Das ist mir egal | Das nehme ich gerade noch hin | Das würde mich sehr stören | ||
Funktional | Das würde mich sehr freuen | Ungültige Angabe | Begeisterung | Begeisterung | Begeisterung | Leistung |
Das setze ich voraus | Abweisung | Unerheblich | Unerheblich | Unerheblich | Basis | |
Das ist mir egal | Abweisung | Unerheblich | Unerheblich | Unerheblich | Basis | |
Das nehme ich gerade noch hin | Abweisung | Unerheblich | Unerheblich | Unerheblich | Basis | |
Das würde mich sehr stören | Abweisung | Abweisung | Abweisung | Abweisung | Ungültige Angabe |
Anschließend werden die Ergebnisse für die einzelnen Leistungskriterien in einer Ergebnistabelle aufgelistet. Hieraus ist die Gesamtverteilung der Anforderungskategorien (Basis, Leistung, Begeisterung, Unerheblich, Abweisung) ersichtlich.
Beispiel
Merkmal | Funktional | Dysfunktional | Merkmal |
Sicherheitsgurt | Das setze ich voraus | Das würde mich sehr stören | Basis |
Fahrer-Airbag | Das nehme ich gerade noch hin | Das würde mich sehr stören | Basis |
Kurzer Bremsweg | Das würde mich sehr freuen | Das würde mich sehr stören | Leistung |
Beschleunigung | Das würde mich sehr freuen | Das würde mich sehr stören | Leistung |
Geringer Verbrauch | Das würde mich sehr freuen | Das würde mich sehr stören | Begeisterung |
Sonderausstattung | Das würde mich sehr freuen | Das setze ich voraus | Begeisterung |
Design | Das würde mich sehr freuen | Das nehme ich gerade noch hin | Unerheblich |
Automatikgetriebe | Das setze ich voraus | Das nehme ich gerade noch hin | Unerheblich |
Schiebedach | Das ist mir egal | Das nehme ich gerade noch hin | Abweisung |
Totalschaden | Das würde mich sehr stören | Das setze ich voraus | Unerheblich |
… | Das ist mir egal | Das ist mir egal | Basis |
… | Das ist mir egal | Das nehme ich gerade noch hin | Abweisung |
… | Das ist mir egal | Das würde mich sehr stören | Unerheblich |
Das nehme ich gerade noch hin | Das würde mich sehr freuen | Unerheblich | |
Das nehme ich gerade noch hin | Das setze ich voraus | Unerheblich | |
Das nehme ich gerade noch hin | Das ist mir egal | Basis | |
Das nehme ich gerade noch hin | Das nehme ich gerade noch hin | Abweisung | |
Das nehme ich gerade noch hin | Das würde mich sehr stören | Abweisung | |
Das würde mich sehr stören | Das würde mich sehr freuen | Abweisung | |
Das würde mich sehr stören | Das setze ich voraus | Abweisung | |
Das würde mich sehr stören | Das ist mir egal | Ungültige Angabe | |
Das würde mich sehr stören | Das nehme ich gerade noch hin | Abweisung | |
Das würde mich sehr stören | Das würde mich sehr stören | Unerheblich | |
Das ist mir egal | Das würde mich sehr freuen | Unerheblich | |
Das ist mir egal | Das setze ich voraus | Unerheblich | |
Das ist mir egal | Das ist mir egal | Basis | |
Das ist mir egal | Das nehme ich gerade noch hin | Ungültige Angabe | |
Das ist mir egal | Das würde mich sehr stören | Ungültige Angabe |
Interpretation
Die einfachste Form der Interpretation ist die Auswertung nach Häufigkeiten. Dabei wird ein Merkmal in die Kategorie eingeordnet, die am häufigsten genannt wird. Achten Sie bei der Erhebung der Daten unbedingt auf relevante demografische Merkmale. Je nach befragter Personengruppe können sich erhebliche Unterschiede ergeben.
Beispiel
Männliche Personen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren sehen in einem Auto mit starkem Antrieb einen Begeisterungsfaktor. Dagegen kann diese Eigenschaft von Frauen zwischen 20 und 30 Jahren als unerhebliches Merkmal eingestuft werden.
Wenn Sie Ihr Leistungsangebot nach Kundengruppen klassifizieren möchten, empfiehlt sich eine segmentspezifische Auswertung. Die Segmentierungsmerkmale, zum Beispiel Alter oder Geschlecht, werden vor der Befragung festgelegt und mit dem Fragebogen untersucht. Für jedes Kundensegment erfolgt dann eine eigene Auswertung. In Ihrem Businessplan können Sie dann die Ergebnisse darstellen, wie z.B.:
Merkmal: | Beschleunigung | |||
Männlich | Weiblich | |||
bis 50 Jahre | über 50 Jahre | bis 50 Jahre | über 50 Jahre | |
Basis | 0,14 | 0,06 | 0,03 | 0,01 |
Leistung | 0,32 | 0,38 | 0,37 | 0,24 |
Begeisterung | 0,42 | 0,32 | 0,19 | 0,12 |
Unerheblich | 0,1 | 0,2 | 0,29 | 0,55 |
Abweisung | 0,02 | 0,04 | 0,12 | 0,08 |
Gesamt | 1 | 1 | 1 | 1 |
Ergebnis | Begeisterung | Leistung | Leistung | Unerheblich |